Osteroratorium, Ratswahlkantate und Motette »Lobet den Herrn« von J.S. Bach

Zu den Werken

Das Osteroratorium, BWV 249, wurde am Ostersonntag,1. April 1725 als Kantate „Kommt, eilet und laufet“ uraufgeführt und danach von Bach mehrfach bearbeitet. Die letzte Umarbeitung fand 1740 statt. In dieser Fassung, die nun von der Ginnheimer Kantorei zur Aufführung gebracht wird, hat Bach den vokalen Eingangssatz (Nr. 3) vom ursprünglichen Duett des Petrus und Johannes in die Form eines prachtvollen, vierstimmigen Chorsatzes gebracht.

Das opernartig anmutende Stück steht zu Unrecht im Schatten der beiden großen Passionen und des Weihnachtsoratoriums. Knapp 45 Minuten dauert das Osteroratorium, es hat zwei festliche Orchestereinleitungen, Duette, Quartette, mehrere Rezitative und große Arien für alle Stimmlagen zu bieten sowie zwei anspruchsvolle Chorsätze. Was zunächst fast klingt wie der Beginn des Weihnachtsoratoriums ist tatsächlich der des Osteroratoriums. Der schwungvoll wiegende Dreiertakt, die Akzente der Trompeten und Pauken und die ganzen harmonischen Wendungen - vieles erinnert an den weihnachtlichen Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“.

Bereits der Bachbiograph Philipp Spitta stellte fest, dass das Osteroratorium unter allen Bachschen Kompositionen das größte Anrecht auf die Bezeichnung „Oratorium“ habe. Sämtliche Vokalsätze des Werkes sind Personen in den Mund gelegt: Maria Jacobi, Maria Magdalena, Petrus, Johannes und auch der als „Chor der Gläubigen“ bezeichnete Chor. Einen Evangelisten gibt es nicht, es wird nicht erzählt, sondern gehandelt - ein echtes „Dramma per Musica“ also, Bachs einziges Stück dieser Art mit geistlicher Bestimmung.

In der Bach-Tradition allerdings taucht das Werk kaum einmal auf: Nach den vielfältigen kirchenmusikalischen Anforderungen der Passionszeit, die oft durch die Aufführungen der beiden großen Passionen geprägt sind, fehlen im Allgemeinen die von der Praxis her gegebenen Möglichkeiten, das Werk in den wenigen Osterwochen folgen zu lassen. Um so mehr freut sich die Ginheimer Kantorei darauf, Ihnen diesen selten aufgeführten musikalischen Geheimtipp zu Gehör bringen zu können.

Zu Bachs Pflichten in seiner Leipziger Zeit gehörte jedes Jahr die Aufführung einer Festkantate, mit der dem jährlichen Ratswechsel ein angemessener Rahmen verliehen wurde. Immerhin neun solcher Ratswahlkantaten sind heute noch überliefert.

Die Kantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“, BWV 29, war Bachs Festmusik für das Jahr 1731, wobei spätere Wiederaufführungen folgten. Ihren Festcharakter erhält sie nicht zuletzt durch den um drei Trompeten, aber auch Pauken und Oboen erweiterten Orchesterapparat.

Der unbekannte Textdichter folgte in seinem - teilweise der Bibel entlehnten - Libretto einem bewährten Schema: Der Dank für erwiesene Wohltaten wird mit der Bitte um künftigen Segen verknüpft. Sehr subtil ermöglicht er es den geneigten Hörern, dabei auch durchaus an weltliche Herren zu denken.

Den virtuosen Orgel-Solo-Part des einleitenden Orchestersatzes entnahm Bach aus seiner E-Dur-Suite für Solovioline, BWV 1006, und den prachtvollen Eingangschor verwendete er später in der h-Moll-Messe.

Solche Anleihen bei sich selbst waren keine Seltenheit sondern durchaus gebräuchlich, wenn man sich die Entstehungsgeschichte z. B. des Oster- und des Weihnachtsoratoriums anschaut. Sicher sind sie Bachs unkomplizierten Umgang mit dem eigenen Werk und auch der Tatsache zu danken, dass dem Komponisten oft nur wenig Zeit für die Komposition größerer Werke blieb. Mit Gewissheit kann man aber sagen, dass er nur übernahm, was er für gut befand und was auch passte.

Die Motetten Bachs lassen viele Fragen offen, da sie offensichtlich keinen festen Platz innerhalb der Liturgie hatten, sondern für besondere Anlässe gedacht waren. In einem einzigen Fall ist der von Bach vorgesehene Verwendungszweck bekannt. Nur zwei der Motetten sind in Bachs Handschrift oder in für seinen Gebrauch kopierten Manuskripten erhalten, so dass es nicht möglich ist, wie bei anderen Vokalwerken Bachs, quellenkritische Studien zur Datierung heranzuziehen.

Die Motette „Lobet den Herrn“, BWV 230, ist erst im 19. Jahrhundert aufgetaucht und lediglich in einem Druck von 1821 überliefert. Ein unverwechselbares Charakteristikum der Komposition liegt in der teilweise unabhängigen Basso-Continuo-Stimme. Keine andere Bach-Motette weist dieses Merkmal auf, und seine Existenz ist teilweise für die Vermutung verantwortlich, dass das Stück tatsächlich ein aus einem größeren Stück entnommener Satz sei, möglicherweise aus einer verschollenen Kantate, in der eine unabhängige Continuo-Stimme wesentlich üblicher war. Der Psalmtext ist sicherlich einer Motette angemessen und der Mangel an unabhängigen Instrumenten verweist deutlich auf den Motettenstil, auch wenn der Satz ursprünglich aus einem Konzertwerk stammen sollte.

Bach fordert in dieser Motette von seinen Sängern eine ungemein instrumentale Virtuosität und Beweglichkeit. „Lobet den Herrn“ beginnt mit einer salvenartigen, aufsteigenden Arpeggio-Fanfare, die typisch für Bach in seiner Musikvermittlung von „Lob und Ehre“ ist und die er z. B. auch im Weihnachts- und im Osteroratorium angewendet hat.

Das abschließende „Halleluja“ ist ein festliches, fast tänzerisches und mittels kanonischer Nachahmung strukturiertes Stück Musik, dass Bach kunstvoll und mit großer Komplexität der rhythmischen Fragmente raffiniert entwickelt. Somit passt diese Motette hervorragend als eigenständiges Bindeglied zwischen die Aufführung der Ratswahlkantate und des Osteroratoriums.

Text: Bernd Lechla

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